Was macht die Faszination des Universums aus?
Luke Jerram: Ich bin farbenblind und daher besonders interessiert an der unsichtbaren Welt in ihrer ganzen Bandbreite – vom mikroskopisch kleinen Bereich bis hin zum Weltall, das wir nur über Teleskope sehen können. Beide Enden des Spektrums sind Teil meiner künstlerischen Arbeit: Die Glasskulpturen von Viren und Bakterien aus der Reihe „Glass Microbiology“ sind eine Million Mal größer als ihre realen Vorbilder. Am anderen Ende stehen die Skulpturen von Erde, Mond und Mars. Der Mond ist 500.000-mal kleiner als in der Wirklichkeit, der Mars sogar eine Million Mal.
Warum haben Sie nach den Skulpturen zu Erde und Mond den Mars gewählt? War das ein logischer Schritt, weil es der am nächsten gelegene Planet von der Erde aus ist?
Jerram: Zum Mond gibt es unzählige Mythen, die bis in die Frühphase der Menschheit zurückreichen. Die Beschäftigung mit dem Mars ist dagegen noch relativ jung, er ist mit weniger mythologischen und religiösen Vorstellungen verbunden. Darüber hinaus spielen aber ganz praktische Gründe eine Rolle: Die Oberfläche des Kunstwerks besteht aus hochauflösenden Fotografien, die von der NASA-Raumsonde „Mars Renaissance Orbiter“ geschossen wurden. Von Planeten wie Jupiter oder Uranus, die überwiegend aus Gaswolken bestehen, gibt es kaum geeignete Fotos.
Die Mars-Skulptur ist in öffentlichen Räumen zu sehen, sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Orte aus?
Jerram: Ich zeige meine Arbeiten im öffentlichen Raum, weil ich ein breites, vielfältiges Publikum ansprechen möchte. Die großen Skulpturen mit sieben Metern Durchmesser sind oft in Kathedralen zu sehen, weil es kaum andere öffentliche Orte mit ähnlich viel Platz gibt. Mich interessiert dabei, wie der Kontext des Kunstwerks seine Interpretation verändert: Die Erde in einer Kathedrale weckt sofort Assoziationen mit der Schöpfungsgeschichte. Der Mars in einem Museum lädt eher dazu ein, über den wissenschaftlichen Fortschritt nachzudenken.
Die Skulpturen sind nur ein Teil des Kunstwerks, eine wichtige Rolle spielen auch Licht und Musik.
Jerram: Der Soundtrack des Komponisten Dan Jones enthält Field Recordings des Mars-Rovers „Preserverance“ und Meeresrauschen, denn auf dem Mars soll es vor vielen Milliarden Jahren große Mengen fließendes Wasser gegeben haben. Die Musik stellt eine Beziehung her zwischen der Installation und der umgebenden Architektur. Wichtig ist mir, dass das Werk zugleich ein Veranstaltungsort ist. Unter dem Mars haben schon Konzerte und Filmabende stattgefunden, es gab Yoga-Workshops unter der Erd-Skulptur. Was genau stattfindet, steht den Kuratorinnen und Kuratoren der Ausstellungen frei. Abgesehen von Werbeveranstaltungen für bestimmte Produkte sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Abschließend interessiert mich noch Ihre Einschätzung zu den Chancen einer Besiedelung des Mars. Werden Menschen in naher Zukunft auf dem Mars leben?
Jerram: Wenn ich spekulieren darf, würde ich sagen, dass Menschen auf dem Mars landen werden. Aber sie werden dort keine lebensfreundlichen Bedingungen vorfinden. Die Durchschnittstemperatur beträgt -60°C, es gibt kein Wasser, der gesamte Planet ist eine Wüste, man kann dort nichts anbauen. Dann werden wir zurückschauen und realisieren, wie wundervoll die Erde mit all ihren unterschiedlichen Tieren und Pflanzen ist. Genauso war es schon bei den Reisen zum Mond. Auch dabei ging es nicht nur darum, was auf dem Mond zu finden ist, sondern um die Möglichkeit, zum ersten Mal auf die Erde zurückzublicken. Nicht umsonst ließ sich auch die frühe Ökologiebewegung von den Fotos des blauen Planeten im All inspirieren.
Weitere Informationen:
Hier gibt es mehr Informationen zu den Arbeiten von Luke Jerram:
https://www.lukejerram.com
Bilder der NASA-Mars-Missionen:
https://mars.nasa.gov/mars2020/multimedia/images/?SearchTerm=mars&SearchTagID=&SearchTermHidden=mars
Interview von Julian Jochmaring – Wissenschaftsjahr 2023